Gerechtigkeit und gefühlte Fairness

von Elisabeth Michel-Alder

Angemessene Löhne für ü55

Im jüngst erschienenen OECD-Bericht zur Situation reiferer Arbeitskräfte in der Schweiz wird das hohe und steigende Lohnniveau bis zur Pensionierung angeprangert. Dass Seniorität und lange Weile im Job aufs Konto schlägt, erstaunt, weil der Wert von Wissen und Können etwa im 10-Jahres-Rhythmus gegen null sinkt. Geraten wird zu Bogenkarrieren und Lohnsystemen mit sinkendem Honorierungsniveau im 6. und 7. Lebensjahrzehnt.

Leuchtet unmittelbar ein; doch mittelbar gilt es, auf die Frage einer erfahrenen Prokuristin nach dem gerechten Lohn zu antworten. Und zu sagen, wie tief sich der Bogen nach unten bewegen soll. Den Beitrag von Indivuduen zur Wertschöpfung in einer hoch arbeitsteiligen Firma genau zu berechnen, ist nur ausnahmsweise möglich. Viele Unternehmen arbeiten denn auch mit Entlöhnungssystemen, die Arbeitsplätze plausibel bewerten, ergänzt mit persönlichen Leistungskomponenten. Das wird mit Ausnahme gewisser Einstufungen in Frauenberufen als fair akzeptiert. Solange ü55 ihre Positionen prima ausfüllen, käme logischerweise jede Lohnkürzung systemischer Willkür gleich. 

Wo klemmt's, liebe OECD? Werden automatisch - als Referenz an sich mehrende Jahrringe - Stufen angehoben? Warum und wozu? Was versprechen sich die Unternehmen? Oder was fürchten Sie, wenn sie es nicht täten?

Denn es bleibt "gefühlt" in breiten Kreisen der Gesellschaft der Eindruck, ü55 sollten - ohne Jobwechsel - mit etwas weniger zufrieden sein.

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